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Vorschau Spielzeit 2024

Werner Egk: Columbus


Theater Bonn
Premiere 16. Juni 2024, 18 Uhr


Musikalische Leitung: Hermes Helfricht 
Regie: Jakob Peters-Messer
Bühne: Sebastian Hannak
Licht: Max Karbe


weitere Vorstellungen:
20., 22. & 28.06.2024
04.07.2024

 

Christoph Kolumbus ist heutzutage eine mehr als umstrittene Figur: In den USA und einigen lateinamerikanischen Ländern werden seine Denkmäler gestürzt und mit roter Farbe besprüht, weil er symbolisch für die europäische koloniale Vergangenheit steht.

Werner Egk ist heute im Gegensatz zu Kolumbus beinahe in Vergessenheit geraten, doch sein Erbe ist nicht weniger umstritten: Seine Karriere erreichte ihren Zenit in der NS-Zeit, zahlreiche Aufträge – auch für solche Anlässe wie die Olympischen Festspiele 1936 –, Dirigate und den Posten als Leiter der Komponistenfachschaft in der Deutschen Reichsmusikkammer akzeptierte er mit Dankbarkeit. Nach dem Krieg gelang es ihm, sich als Widerstandskämpfer zu inszenieren und den Entnazifizierungsprozess schnell hinter sich zu bringen. Die Tatsache, dass seine musikalische Sprache, die sich an der eklektischen und ausdrucksstarken Musik von Strawinsky orientierte, von den parteitreuen Kritikern manchmal kritisiert wurde, diente ihm als Alibi.

1932 näherte sich Egk dem Thema Kolumbus, als er den Auftrag erhielt, eine abendfüllende Rundfunkoper zu komponieren. »Das Textbuch wurde unter Verwendung authentischer Dokumente und altspanischer Literatur geschrieben«, so der Komponist, der anhand verschiedener historischer Quellen für COLUMBUS sein eigenes Libretto verfasste. Er legte großen Wert auf den dokumentarischen Charakter seines Werkes – wie im Untertitel festgehalten: »Bericht und Bildnis« – und führte eine diskursive Ebene ein, in der er das musikalische Geschehen von zwei Sprechern kommentieren ließ. Trotz dieser postulierten Quellentreue mystifiziert Egk die Figur des Kolumbus sowie die Geschichte seiner Amerikareise und wirft gleichzeitig Fragen nach der Schuld und Verantwortung der »Entdecker« auf. Dabei entstand ein einzigartiges oratorienhaftes Werk, das einer besonderen Bühnenlösung bedarf: Nach dem fulminanten EIN FELDLAGER IN SCHLESIEN nimmt sich das Team Jakob Peters-Messer und Sebastian nun dieser Herausforderung an.

Text: Theater Bonn (Spielzeit 2023/2024)

 

Werner Egks „Columbus“ wurde als Funkoper konzipiert. Allein die Tatsache, dass die Handlung nicht sichtbar ist, legt in der Gestaltung eine Form des epischen Theaters nahe, das in der Tradition des Oratoriums dem Musiktheater an sich nicht fremd ist. Egk hatte in seiner Berliner Zeit Kontakt mit dem Kreis um Brecht und Weill und hat dies vor allem nach seiner Verstrickung in die Nazi-Kulturpolitik auch gern betont. Tatsächlich lassen sich in der Form und im Inhalt dieses frühen Musiktheaterprojekts – Egk war zu dieser Zeit gerade dreißig Jahre alt – Bezüge zum „epischen“ Theater und den Lehrstücken Brechts finden.

In der Fabel vom Aufstieg und Fall des Kolumbus geht es nicht nur um die historische Figur, sondern um das Modell. Von Anfang an wird die „Entdeckung der Neuen Welt“ als Unternehmen, als Investition in ein Projekt der Ausbeutung verstanden. Ziel ist die Suche nach Gold. Als sich herausstellt, dass es das nicht gibt, werden wenigstens die Menschen als Sklaven „verwertet“. Mit dem Ergebnis der fast vollständigen Entvölkerung der eroberten Inseln, wie schon der Mönch Las Casas wenige Jahrzehnte nach der Ankunft der Spanier bezeugt. Die religiöse Mission fungiert dabei nur als Dekor oder ideologischer Background, der die Verbrechen bemäntelt und den Furor der Verbrecher anfeuert. Hier wir ein Mythos dekonstruiert. Und diesem Ansatz werden die künstlerischen Mittel zu- oder untergeordnet.

Eine Liebesgeschichte gibt es in dieser Oper nicht. Wohl aber Isabella und Ferdinand, die katholischen Könige, Förderer und Nutznießer von Kolumbus’ Unternehmen. Und der Chor als handelnd schwankender Akteur und Kommentator zugleich. Kolumbus selbst ist noch am ehesten eine Opernfigur, die Emotionales, sei es in ihrer Hybris oder in ihrer Verzweiflung, zulässt. Ihr zugeordnet sind zwei Sprecher, die das Geschehen kommentierend einordnen und dabei verschiedene Standpunkte einnehmen, das Für und Wider abwägen. Was wie der Kommentar zu einer historischen Dokumentation wirken könnte – man denke an das Medium Radio –,  kann ebenso als innere Stimme einer Figur verstanden werden, die deren innere Konflikte nach außen trägt und auf der Bühne sinnlich fassbar macht. Als theatrales Element im Sinn des „epischen“ Theaters, das durch den permanenten Blick von außen auf das Geschehen kritische Distanz zum Sog der Musik herstellt.

Text: Jakob Peters-Messer (April 2024)

Gustav Holst: Sita


Staatstheater Saarbrücken
Oktober 2024

Benjamin Britten: Peter Grimes

Nominierung für den FAUST 2022 in der Kategorie Inszenierung Musiktheater.

Nominierung für den FAUST 2022 in der Kategorie Inszenierung Musiktheater.

Karol Rathaus’ einzige Oper „Fremde Erde“ wurde 1930 an der Berliner Staatsoper Unter den Linden uraufgeführt. Eine Zeitoper, die vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise von Migranten aus Osteuropa erzählt, die in der Neuen Welt ihr Glück suchen und – ausgebeutet und entwurzelt – zugrunde gehen. Nicht nur das Schicksal der Flüchtenden wird thematisiert, sondern auch die lebensgefährliche Arbeit in den Salpeterminen der chilenischen Atacama-Wüste und die damit zusammenhängende Umweltzerstörung. Die Textvorlage ist geprägt von Sozial- und Kapitalismuskritik und zugleich melodramatischer Kino-Ästhetik. Karol Rathaus’ Musik macht daraus ein herb-expressionistisches, quasi prophetisches Monument des Exils: Nur wenige Jahre nach der Uraufführung musste auch Rathaus – als jüdischer Musiker floh er vor den Nazis – auf „fremder Erde“ ein neues Leben suchen.

Jakob Peters-Messer / Bettina Stöß (Hg.): Inszenierungen

Jakob Peters-Messer / Bettina Stöß (Hg.): Inszenierungen

Jakob Peters-Messer / Bettina Stöß (Hg.)
Inszenierungen
176 Seiten
140 Farbabbildungen
Klappenbroschur
28 x 24 cm
€ [D] 34,90 € [A] 35,90 sFr 49,90
ISBN 978-3-89487-699-9

Chronologisch nach Aufführungsjahren geordnet und von einführenden Texten zu den Stücken begleitet, zeichnet das im Henschel Verlag erschienene Buch in 140 Farbaufnahmen der Theaterfotografin Bettina Stöß die künstlerische Entwicklung im Schaffen des Opernregisseurs Jakob Peters-Messer seit 2004 nach. In zwei vorangestellten Essays kommen Bodo Busse, der Intendant des Landestheaters Coburg, und die Autorin und Theaterwissenschaftlerin Micaela von Marcard zu Wort.

März 2011
Jörg Restorff (Kunstzeitung): «ein wunderbarer Fotoband, der 14 Inszenierungen des Opernregisseurs Jakob Peters-Messer Revue passieren lässt»

Mai 2011
Friedemann Kluge (Das Orchester): «Der aufwändig gestaltete Bildband stellt 14 Inszenierungen des Regisseurs Jakob Peters-Messer in begeisternden Fotografien der Theaterfotografin Bettina Stöß vor. Ihre Bilder dokumentieren die Arbeit des Regisseurs in kongenialer Weise, sind aber auch Kunstwerke sui generis. (…) Ein Opernbuch, schön, wie Oper ohne Musik nur eben sein kann!»

Juni 2011
Eberhard Kneipel (Thüringen Kulturspiegel): «Angesichts dieser faszinierenden Bilderwelt möchte man sich flugs zu einem Theaterbesuch aufmachen. Egal welches Stück gespielt wird, ob Repertoire oder Neuschöpfung, ob ausgegraben oder wiederbelebt. (…) Nicht egal, ja Bedingung wäre hingegen, dass dieser Regisseur Jakob Peters-Messer am Werke ist. Und gemeinsam mit seinem Team (…) jene kunstvollen Szenen-Kreationen geschaffen hat, die beim Zusehen die Fantasie zu tollen Sprüngen animieren, die dem Geist Nahrung geben und bei denen selbst die verstörendsten Momente ästhetischen Genuss evozieren. Tja, wir aber müssen hier bleiben, beim Buch. Doch dessen Bilder über Bilder, die Bettina Stöß aus allen Perspektiven, in eindrucksvollem Format, mit bezeichnenden Details von 14 Inszenierungen aufgenommen hat, (…) entschädigen auf ihre Weise für einen entgangenen Theaterabend, auf den sie doch so neugierig machen. (…) Die Formen und Farben, die Räume und die Requisiten, die Gestalten und die Gesten sind stets in ihrem „prägnanten Punkt“ erfasst und abgelichtet. In jenem Augenblick also, der den Zuschauer erhellt und der zum Leser spricht. Und das „Geheimnis“ dieser originellen Bühnenfantasien liegt  im Vermeiden jeglicher eindimensionaler Lesarten und Sichtweisen durch den Regisseur. Weder „Werktreue“ noch „Regietheater“ werden inthronisiert. Stilebenen aus allen Epochen beleben die Bühne und schaffen (…) reiche reizvolle Assoziationsräume. Und stets sind politische Implikationen und Situationen mitgedacht und über die Figuren „gelegt“, so dass alles Belanglose und Beliebige außen vor bleibt. Jegliche plumpe Aktualisierung und Belehrung auch. Der Zuschauer hat die Freiheit, sich selbst zu den Stücken, den Hintergründen, den Deutungen in Beziehung zu setzen. Sich sein eigenes Bild zu machen. (…) Und dem Verlag ist – nach dem Porträt-Band über Marco Arturo Marelli – mit diesem Inszenierungs-Buch über Jacob Peters-Messer erneut ein opulenter Bildband und ein großer Wurf in Richtung heutige Theaterkunst gelungen.»